TikTok ist down, lang lebe TikTok
- Die Informantin

- 1. Aug. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Sept. 2020
Vom Kesha Hit 2009 zur milliardenfach gedownloadeten App. Das TikTok-Verbot bleibt vorerst aus. Warum ein Verbot kontraproduktiv gewesen wäre

Donald Trump kündigte bereits am 01.08.2020 an, er wolle TikTok noch am nächsten Tag per Dekret verbieten: "Was TikTok betrifft, so verbannen wir sie aus den Vereinigten Staaten.", "Ich werde den Beschluss morgen unterzeichnen". Bei seiner Begründung beruft er sich auf Geheimdienstinformationen, die deutliche Hinweise zeigen sollen, dass China, die App nutze, um die USA auszuspionieren.
Bis das Dekret kam, dauerte es etwas länger als angekündigt. Jetzt ist es aber da. Ab heute darf die App in den USA nicht mehr zum Download angeboten werden. Ab dem 12. November könnte die App ganz verboten werden, wenn sie sich nicht an ein US-amerikanisches Unternehmen verkaufen.
Der Hintergrund:
Bereits seit Jahren befindet sich China mit den USA im Streit. Im Mai letzten Jahres erklärte Trump per Dekret den "Nationalen Notstand“ in Bezug auf Telekommunikation. Der Grund war der chinesische Konzern Huawei, der Daten an chinesischen Geheimdienste weitergeleitet haben soll. Durch das Dekret wurde Huawei in den USA quasi verboten. Unternehmen wie Google beendeten daraufhin ihre Geschäftsbeziehungen mit Huawei.
TikTok bestreitet die Weitergabe von Nutzerdaten an chinesische Regierungsbehörden. Tatsächlich hat ByteDance, der Mutterkonzern hinter TikTok, seine Unternehmensstruktur verändert, um das zu verhindern. TikTok hat seinen Sitz im Gegensatz zu ByteDance nicht in China, sondern in Kalifornien. Die Server mit den Nutzerdaten würden außerdem in den USA und Singapur liegen. Beide behaupten, so würde das chinesische Gesetz, das zur Weitergabe von Nutzerdaten an die Regierung verpflichtet, nicht für TikTok gelten. Es gelte nur für Douyin, eine zensierte TikTok-Version für China.
US-Behörden zweifeln diese Argumentation an. Die Republikaner befürchten außerdem China würde über die App die Präsidentschaftswahlen beeinflussen. Im Juni hatten User über TikTok einen Zuschauerboykott für eine Wahlkampfveranstaltung Trumps organisiert.
Wegen der anhaltenden Bedenken bemüht sich TikTok schon länger um eine vollständige Trennung von Bytedance.
Nachtrag:
ByteDance soll sich offenbar mit Oracle und Walmart geeignet haben. Das verkündete Trump am Samstag Abend. Keiner der Unternehmen hat diese Informationen bis jetzt bestätigt. Das US-Handelsministerium kündigte an das Download-Verbot, das seit heute gelten sollte, um eine Woche zu verschieben. Außerdem soll ByteDance in den texanischen Bildungsfond 5 Milliarden US-Dollar zahlen. Als Begründung nannte Trump, die US-Regierung müsse für die Vermittlungsarbeit und das Herbeiführen des Deals entschädigt werden. Was aus der Klage wird, die ByteDance gestern noch beim Bundesgericht in Washington eingereicht hat, ist nicht klar.
Warum ein Verbot kontraproduktiv sein kann?
Ein Verbot der Nutzung wäre bei aktuell 80 Millionen amerikanischen Nutzern schwer umsetzbar. Das Justizsystem könnte durch Verfolgung dieser Straftaten an seine Grenzen gelangen, was die Verfolgung von akuteren Straftätern behindern kann.
Die USA können es nur Unternehmen, die dem amerikanischen Recht unterliegen, verbieten, die App zum Download anzubieten. Nutzer könnten ein Verbot also einfach mit VPN umgehen. Das würde dazu führen, dass insgesamt mehr Menschen VPN nutzen, um Inhalte zu sehen, die sie eigentlich nicht sehen dürfen. Das beeinträchtigt die Umsetzung von bereits geltendem Recht und schadet amerikanischen Medienunternehmen, wie z.B. Netflix, finanziell.
Da TikTok-User jetzt eh Mehraufwand haben, könnten sich mehr Nutzer als zuvor darum bemühen, das chinesische "Original" Douyin herunterzuladen. Diese App gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nutzerdaten, an die chinesischen Geheimdienste weiter.
Ein Verbot von TikTok kann der Beginn von Zensur sein. Theoretisch jedes ausländische Soziale Netzwerk kann mit derselben Begründung verboten werden. Die inländischen Soziale Netzwerke haben aufgrund der fehlenden Konkurrenz weniger Druck sich hinsichtlich des Datenschutzes ethisch korrekt zu verhalten.
Zusammenfassend kann ein Verbot also: 1. die Justiz bremsen, 2. der Wirtschaft schaden, 3. den chinesischen Geheimdiensten noch mehr Informationen liefern und 4. Zensur begünstigen.


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